Finanzprozess

Vatikan-Staatsanwalt fordert hohe Haftstrafe für Kardinal Becciu

Im vatikanischen Finanzprozess droht dem angeklagten Kardinal Angelo Becciu eine lange Haftstrafe. Vatikan-Staatsanwalt Alessandro Diddi forderte am Mittwoch vor Gericht 7 Jahre und 3 Monate Haft sowie eine Geldstrafe von 10.239 Euro. Dem 75-Jährigen werden Veruntreuung und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Mit Becciu steht erstmals in der Kirchengeschichte ein Kardinal als Angeklagter vor einem vatikanischen Gericht.

In dem Prozess geht es vorwiegend um mutmaßliche Straftaten rund um die Finanzierung einer Londoner Geschäftsimmobilie, die von der zentralen Kirchenleitungsbehörde - dem vatikanischen Staatssekretariat - ab 2014 als Anlageobjekt für einen dreistelligen Millionenbetrag erworben wurde. Später wurde sie unter hohen Verlusten wieder verkauft. Der Schaden für den Vatikan soll sich auf 139 bis 189 Millionen Euro belaufen.

Zum Zeitpunkt des Ankaufs hatte Becciu als Substitut die zweithöchste Position im Staatssekretariat inne. Neben dem London-Geschäft werden ihm auch Unregelmäßigkeiten bei Überweisungen in sein Heimatbistum auf Sardinien und an die dortige Caritas vorgeworfen. Es geht um 225.000 Euro und eine mutmaßliche Beteiligung von Familienangehörigen Beccius.

Der Kardinal soll zudem eine Bekannte als vermeintliche geopolitische Expertin mit dem Vatikan in Kontakt gebracht haben. Laut Anklage ließ das Staatssekretariat der Frau 575.000 Euro zukommen, um eine entführte Ordensschwester in Mali zu befreien. Statt für diesen Zweck habe die angebliche Expertin das Geld aber für Luxusgüter und Urlaube ausgegeben.

Der Kardinal, der seit Mitte 2021 im Vatikan vor Gericht steht, hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen und mehrfach seine Unschuld beteuert. Am Dienstag sagte er vor Gericht: "Ich fühle mich als Mensch und als Priester verunstaltet." Am Mittwoch war er abwesend und ließ sich von seinen Anwälten vertreten.

In Zusammenhang mit den Vorwürfen musste Becciu auf seine Rechte als Kardinal verzichten. Papst Franziskus entließ ihn 2020 zudem aus seinem damaligen Amt als Leiter der Heiligsprechungsbehörde.

Neben dem Sarden sind neun weitere Personen wegen Unterschlagung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Betrugs, Amtsmissbrauchs und Urkundenfälschung angeklagt. Auch ihnen drohen Haft- und Geldstrafen. Das Urteil verkündet der Vorsitzende Richter Giuseppe Pignatone voraussichtlich im Dezember.

KNA